
Humane Bildungspraxis vs. Employability
Der Bildungsdiskurs ist von Ökonomisierungsbestrebungen und Rankings getrieben. Julian Nida-Rümelin versucht mit der „Philosophie einer humanen Bildung“, erschienen in der edition Körber-Stiftung, der Bildung eine kulturelle Leitidee zurückzugeben. Er kritisiert, dass das Bildungssystem die physische, soziale, ethische und ästhetische Seite der Persönlichkeitsentwicklung nicht berücksichtigt. Es betont abfragbares Wissen und vernachlässigt Urteilskraft, kreatives Denken und Wissenstransfer.
Philosophische Grundlagen
Nida-Rümelin erklärt die Grundlagen humaner Bildung anhand von Anthropologie, Humanismus und Rationalität, Freiheit, Verantwortung. Ausgehend von der Frage, was wir als menschlich ansehen, werden im zweiten Kapitel die zentralen Elemente humanistischer Philosophie vorgestellt. Wie sich diese humanistischen Ideen in der Praxis auswirken, zeigt Kapitel drei anhand von Rationalität, Freiheit und Verantwortung.
Im zweiten Teil beschäftigt sich der Autor mit dem Bildungsziel der humanen Vernunft und schreibt (S. 108):
In zwei weiteren Kapiteln in diesem Teil erläutert er die Rolle der Verständigung und geht der Frage nach, welches Wissen man für die Persönlichkeitsbildung erwerben sollte.
Humane Bildungspraxis
Im dritten Teil des Buches erläutert Nida-Rümelin die drei Prinzipien einer humanen Bildungspraxis. Diese sind das Prinzip der Einheit der Person, das Prinzip der Einheit des Wissens, das Prinzip der Einheit der Gesellschaft.
Im Kapitel zum Prinzip der Einheit der Person geht Nida-Rümelin besonders auf die Herausbildung der Kreativität ein. Sport und die Bildung kreativer Kräfte sollten seiner Meinung nach im Schulalltag einen größeren Platz einnehmen. Auch die Herausbildung einer sozialen Kompetenz, die zur Fähigkeit zur Empathie führt, sollte im Bildungssystem eine Rolle spielen.
Unter der Überschrift „Einheit des Wissens“ beschreibt Nida-Rümelin, welche Kenntnisse staatliche Schulen vermitteln sollten. Er vertritt die Auffassung, dass es nicht die Aufgabe staatlicher Schulen ist, spezielle Fertigkeiten oder Kenntnisse zu vermitteln, die für eine bestimmte Tätigkeit benötigt werden. Sie sollten vielmehr dem allgemeinbildenden Wissenserwerb dienen und damit der Persönlichkeitsbildung. Eine drastische Stoffreduktion nach dem Kriterium, welches Wissen für die Persönlichkeitsbildung relevant ist, hält der Philosoph für notwendig. Laut Nida-Rümelin wird zu viel Wissen vermittelt, welches für spezielle Tätigkeiten benötigt wird. Außerdem scheinen wesentliche Bildungsinhalte zu fehlen. Er nennt hier als Beispiel das in der Lebenspraxis moderner Gesellschaften notwendige Verständnis für Rechtsnormen. Er bemängelt, dass ein vertieftes Verständnis der Rechtsordnung oder der Rechtspraxis kein zentraler Wissensstoff an allgemeinbildenden Schulen ist. Das gleiche gilt für Ökonomie, Psychologie oder Medizin. Das wissenschaftliche Denken sollte laut Nida-Rümelin eine größere Rolle spielen und zentraler Bildungsinhalt an allen staatlichen Schulen sein.
Humane Bildung für gesemtgesellschaftliche Integration
Die Rolle welche die Bildungspraxis für die Gestaltung der Gesellschaft als Ganzes spielt darf weder unter- noch überschätzt werden. Eine humane Bildungspraxis geht von der Gleichwertigkeit aller Menschen aus. Dabei nimmt sie auf die Vielfalt von individuellen Lebensformen, Interessen, Begabungen und kulturellen Prägungen Rücksicht. Diese Rücksichtnahme darf aber nicht zum Vorwand für Selektion und Separation werden. Bildung hat für Nida-Rümelin eine große integrative Kraft.
Nida-Rümelin beschreibt aber auch die Spannung zwischen dem Ideal humaner Bildung und der modernen Gesellschaft, die sozial und kulturell zerklüftet ist und betont:
Fazit:
Julian Nida-Rümelin geht es nicht um die Struktur des Bildungssystems oder um Handlungsempfehlungen. „Philosophie der humanen Bildung“ ist kein Leitfaden zu einem besseren Bildungssystem. Vielmehr liefert Nida Rümelin die philosophischen Leitideen einer humanen Bildung, von denen viele seit Langem bekannt sind. Der Autor versteht es, die Bedeutung dieser Ideen für den heutigen Bildungsdiskurs zu verdeutlichen.
Julian Nida-Rümelin
Philosophie einer humanen Bildung
Edition Körber-Stiftung
248 Seiten
ISBN: 978-3-89684-096-7
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